„Ich möchte die Stadt Ibbenbüren zum Vorbild machen“

– Klimaschutzmanager Steffen Boße im Gespräch.

Alle reden vom Klima, nur wenige werden wirklich aktiv. Steffen Boße hat den Klimaschutz sogar zu seinem Beruf gemacht. Als Klimamanager der Stadt Ibbenbüren ist es seine Hauptaufgabe, Ideen zur Verbesserung des Klimaschutzes zu entwickeln und umzusetzen. Keine leichtes Unterfangen bei einem so komplexen Thema, bei dem viele unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen und dessen Zusammenhänge sich oft nur mit dem entsprechenden Hintergrundwissen erschließen lassen. Aber gerade diese Herausforderungen scheinen Steffen Boße besonders zu motivieren. Dafür spricht, dass er sich schon im Studium des Wirtschaftsingenieurwesens intensiv mit Photovoltaiktechnik und dezentraler Energieversorgung beschäftigte. Die Stellenausschreibung aus seiner Heimat Ibbenbüren passte also perfekt zu seinen bevorzugten Studieninhalten – und zu seinem nach wie vor großen Interesse an der Region. Deshalb hat er auch keinen Moment gezögert, seinen damaligen Studienstandort, die Metropole Berlin, zu verlassen und in regionalere Strukturen zurückzukehren. Zwei Jahre ist das inzwischen her, in denen er als Klimaschutzmanager in Ibbenbüren Projekte vorantreibt, nach Fördermitteln Ausschau hält und Bürgerfragen beantwortet. Einen typischen Arbeitstag gibt es für ihn nicht, da die unterschiedlichen Aufgaben täglich Neues mit sich bringen – zwischen Besprechungen, Ortsterminen, Planung von Kampagnen und Büroarbeit ist Flexibilität gefragt. Mehr noch, seit unter Corona-Bedingungen Meetings online stattfinden und er einen Teil seiner Arbeit im Homeoffice leistet. Beim Telefoninterview sitzt er jedoch an seinem Arbeitsplatz im Bereich Facility-Management im Technischen Rathaus an der Roncallistraße. Unsere Fragen beantwortet er besonnen und es ist spürbar, dass es ihm nicht wichtig ist, sein Fachwissen zu präsentieren, sondern verstanden zu werden. In diesem Zusammenhang legt er auch keinen Wert auf Spitzfindigkeiten: Wenn er salopp als „Klimamanager“ bezeichnet wird, sieht er es gelassen. Er ist zwar Klimaschutzmanager, aber Begriffe wie „Umweltbeauftragter“, „Energiemanager“ oder eben verkürzt „Klimamanager“ findet er nicht wesentlich weniger zutreffend.

Herr Boße, kann man Klima managen?
Es lässt sich bedingt beeinflussen. Ich komme als Wirtschaftsingenieur ja eher aus der Technik und versuche mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen, das Klima zu beeinflussen. Klima „managen“ ist ein ganzheitlicher Prozess, an dem viele Akteure beteiligt sind. Dazu gehören zum Beispiel Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft.

Wie kommt man überhaupt darauf, Klimaschutzmanager zu werden? Das war bestimmt kein Wunsch, den Sie seit der ersten Klasse hegen.
Nein, sicher nicht! Zu meiner Schulzeit war das Thema Klimaschutz auch noch gar nicht so in der Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen angekommen. Das Engagement jetziger Schülergenerationen freut mich natürlich sehr, aber ich selbst habe mich erst im Rahmen meines Studiums intensiv damit auseinandergesetzt. Vor allem Photovoltaik-Anlagen haben mich direkt fasziniert.

Welchen Bildungsweg oder Berufseinstieg würden Sie Schülerinnen und Schülern empfehlen, um Klimaschutzmanager/in zu werden?
Es gibt ja ganz viele Klimaschutzmanagerinnen und -manager – die Schwerpunkte sind oft ganz unterschiedlich. Ich sehe mich ja eher als Techniker und hole mir deshalb Unterstützung im Bereich Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, aber das gibt es auch genau andersherum. Mein Weg führte über das Studium in Osnabrück und Berlin eigentlich eher zufällig zurück nach Ibbenbüren. Als ich die Stellenbeschreibung gelesen habe, dachte ich, Moment mal, da geht es ja genau um das Thema, mit dem ich mich die ganze Zeit im Masterstudium beschäftigt habe!

Bei so viel Interesse verfolgen Sie doch bestimmt alle Nachrichten über den Klimawandel, oder haben Sie auch manchmal genug von dem Thema?
An dem Thema kommt eigentlich niemand mehr vorbei, da man zunehmend auch persönlich direkte Auswirkungen zu spüren bekommt. Als starker Allergiker bemerke ich zum Beispiel die Auswirkungen des Klimawandels auf die heimische Pflanzenwelt am eigenen Leib durch die erhöhte Pollenproduktion. Starkregenereignisse und Extremwetter fallen doch jedem auf, dazu muss man eigentlich nicht mal die Nachrichten einschalten – wenn der Keller unter Wasser steht oder man im Eis die Hofeinfahrt nicht hochkommt…

Haben Sie als Klimaschutzmanager privat den imaginären CO2-Zähler immer im Kopf und denken mehr als andere darüber nach, wie sich Ihre Entscheidungen auf die Umwelt auswirken?
Ich bestelle auch mal online obwohl ich weiß, dass es klimafreundliche Wege gibt einzukaufen. Ich versuche schon bewusst abzuwägen, ob ich wirklich dies und jenes haben muss. Radikal bin ich aber nicht. So wie ich denken und handeln doch sehr viele Menschen inzwischen, dazu muss man kein Klimaschutzmanager sein. Ein Elektroauto hätte ich gerne irgendwann, aber bisher habe ich es immerhin schon mal zum E-Bike geschafft!

Haben Sie eine Vorbildfunktion?
Als Klimaschutzmanager ist es mir viel eher ein Anliegen, dass die Stadt Ibbenbüren mit gutem Beispiel voran geht, innovative Projekte umsetzt und ganz allgemein vorbildlich in Sachen Klimaschutz agiert.

Sie sind mit 30 Jahren noch jung und können viel im Klimaschutz bewegen. Gibt es in diesem Zusammenhang einen Themenbereich, der Ihnen besonders am Herzen liegt?
Mein Thema ist ja nach wie vor die Photovoltaik. Ich möchte die Vorzüge dieser Technik noch viel deutlicher machen und die alten Denkweisen und Fehlannamen auflösen. Es gibt Anlagen, die 20 Jahre laufen – ja, die verlieren mit der Zeit etwas an Stromerzeugung, aber produzieren auch nach 20 Jahren Förderung noch Strom. Auch die Kosten für Photovoltaikmodule sind gesunken, weil die Produktion kontinuierlich weiterentwickelt wird. Die Forschung steht nicht still. Wasserstoff, Windkraft – erneuerbare Energien sind Themen, die mich interessieren und die zu einer erfolgreichen Energiewende gehören.

Haben vorausgegangene Generationen Fehler gemacht?
Rückwirkend lassen sich immer leicht Fehler erkennen. Die Belastung durch Kohlekraftwerke war früher einfach nicht in den Köpfen. Als kleiner Junge habe ich höchstens mal den Slogan „Atomkraft nein danke“ gehört, aber die heutige Jugend beschäftigt sich mit viel komplexeren Themen – eine sehr positive Entwicklung! Ich vermute, dazu hat auch die bessere Vernetzung und der unmittelbare Zugang zu Informationen beigetragen. Bis ich 15 war, hatte ich gar kein Internet.

Wie empfinden Sie die Bereitschaft der Menschen in Ibbenbüren, sich für den Klimaschutz stark zu machen?
Ibbenbüren hat eigenen Ortsgruppe und aus dem Förderprogramm haben sich unzählige Telefonate mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern ergeben. Ich empfinde die Bereitschaft, etwas im Klimaschutz voranzubringen, in der Bevölkerung als sehr hoch. Das macht meinen Job natürlich um einiges interessanter und angenehmer.

Ist der Begriff „Klimanotstand“ nicht etwas dramatisch? Wie beurteilen Sie die Lage?
Die Politik fand den Begriff jedenfalls zu hart und hat sich dann für „Klimaoffensive2020“ entschieden. Ich möchte auch lieber diesen positiveren Begriff prägen. Ob sich die akute Lage mit „Notstand“ bezeichnen lässt, ist eine andere Frage. Jedenfalls werden sich die vom Klimawandel ausgelösten Probleme in Zukunft noch verstärken und verheerende Auswirkungen haben, wenn wir unsere Anstrengungen nicht deutlich verstetigen und ausbauen.

Gibt es bereits erste Erfolge, bzw. sichtbare Ergebnisse in Sachen Klimaschutz, über die Sie sich freuen können?
Zwei Jahre sind eine kurze Zeit, aber auf kommunaler Ebene werden ein Energiebericht und eine CO2-Bilanz Auskunft über messbare Erfolge geben können. Man darf aber nicht vergessen, dass wir im Einzelnen nur kleinste Stellschrauben bedienen können. Die großen Ergebnisse schaffen wir deshalb nur zusammen. Die Energiewende darf nicht den Bürgerinnen und Bürgern allein auferlegt, sondern muss von kommunaler Ebene unterstützt werden. Die Wirtschaft ist ein wichtiger Faktor, im produzierenden Gewerbe sowie im Dienstleistungsbereich muss mehr passieren – und auch von Bundesebene muss noch mehr kommen! Allgemein sind wir aber auf einem guten Weg.